Donnerstag, 21. März 2013

Guns of August (1)

Guns of August

Das 2012 veröffentlichte Spiel hat einen etwas in die Jahre gekommenden Vorgänger von Avalon Hill, welches allerdings im Gegensatz zum Namensvetter den gesamten Ersten Weltkrieg an den europäischen Fronten abdeckt und sonst nur wenige Parallelen aufweist. Guns of August von Worthington Games beinhaltet ausschließlich die ersten Monate des Krieges in Deutschland, Belgien und Frankreich.


Cover
Quelle: Wothington Games
Es handelt sich um ein klassisches Hex-and-Counter-Spiel, bei dem die Einheiten per Chit-Pull zufällig ausgewählt und bewegt werden. Sowohl Regelwerk, als auch Countern und Spielplan sind puristisch. Der Spielplan (immerhin aus Pappe und nicht aus Papier) kommt mit wenigen Terrainstufen (Normal, Wald, Berg) aus und enthält darüber hinaus nur noch "Aufbauten" wie z.B. Städte, Eisenbahn und Festungen. Insgesamt ist er zwar übersichtlich, aber etwas schmucklos gestaltet.

Der Designer hat entschieden, dass die Farbe der Uniform den Hintergrund des Counters bildet. Somit sind die Franzosen rot (=rote Hosen in 1914) und nicht wie so oft blau. Das deutsche Feldgrau, die braunen und die schwarzen Uniformen der Briten bzw. Belgier sind optisch sehr gut zu unterscheiden. Man hat neben einem Piktogramm der Einheitentyp (Infanterie, Kavallerie, Hauptquartiere und Festungen) aber alle Informationen auf einen Blick: Armeezugehörigkeit, Stärke (Brigade, Division, Korps), Artilleriewert und Nahkampfwert, für das Spiel eigentlich unwichtig, aber als historische Anmerkung lobend zu erwähnen: Regimentsnummer. Es gibt zudem noch Dummies, die entweder einen Einheitenstapel erhöhen oder Einheitenstapel abdecken können. Das Erhöhen macht ja noch Sinn, das Abdecken ist überflüssig. Durch die Aktivierung von Armeen benötigt auch der Spieler stets einen Überblick über seine Einheiten, dieser geht doch aber verloren, wenn man sie verdeckt...

Das sechsseitige Regelheft liest sich flüssig und kommt mit wenigen Sonderregeln aus. Bestimmte Situationen hätte man möglicherweise etwas ausführlicher gestaltet können. Die Aufstellung der Szenarien ist etwas durcheinander geraten, aber genaues Lesen führt nachher doch zum Erfolg. Neben der Kampagne, können auch die einzelnen Schlachten Mons, Marne und Ypres (erste Flandernschlacht) mit den historischen Einheiten gespielt werden. Dabei wird das Spielfeld verkleinert, was dazu führt, dass die wenigen Einheiten etwas verloren aussehen.

Counter
Quelle: Worthington Games
Das Ziel des Spiels - und es überascht nicht - ist es für die Deutschen innerhalb der vorgegeben Züge Paris oder ein bestimmte Zahl französischer Städte zu erobern. Die Alliierten müssen dieses verhindern oder selbst die Initiative ergreifen und Saarbrücken erobern. Saarbrücken und Paris bilden somit einen Suddendeath. Der Spielablauf ist damit auch ziemlich  klar: die 'Boches' stürmen nach Westen und die 'Froschesser' versuchen mittels geschickter Rochade diesem Ansturm mit ihren tendenziell schwächeren Einheiten Einhalt zu gebieten. Dabei spielen die Festungen eine nicht unerhebliche Rolle. Diese müssen erobert werden, damit den Deutschen nicht Futter und Muni, sprich die Versorgung, ausgeht. Historisch korrekt ist das ein Unterfangen, was natürlich erheblich an die Substanz geht. So werden ältere Festungen (schwarz) in Belgien durch den Einsatz schwerer Artillerie aus der Entfernung noch relativ schnell gesprengt, die neueren Festungsanlagen (rot) vor allem in Frankreich müssen durch Sturmangriffe der Infanterie eingenommen werden.

Die Versorgungsregeln sind in vielen Spielen ja oft ein Regelwerk für sich. Bei Guns of August jedoch auch ein Leichtgewicht: steht eine Einheit bevor sie losmarschiert 3 Felder von einer Bahnlinie bzw. 3 Felder von einem versorgten Hauptquartier entfernt, ist sie versorgt. Ist sie es nicht, halbiert sich Reichweite und Kampfkraft. Warum kompliziert, wenn es auch einfach geht. Die Hauptquartiere haben übrigens noch eine weiteren Mehrwert. Sie können auch direkt in den Kampf eingreifen. Meist haben sie sehr gute Werte dafür - verlieren sollte man sie aber besser nicht.

Auch das Kampfsystem ist simpel gestrickt und effektiv. Wie bereits aus den 1980er bekannt, wird das Verhältnis der Kampfwerte zwischen Angreifer und Verteidiger gesetzt. Erst werden die Artilleriewerte verglichen und mittels Würfel auf einer Tabelle das Ergebnis (kein Effekt, zerrüttet, Verlust) festgestellt, dann passiert das gleiche mit den Nahkampfwerten. Verluste kommen in Form von Zerrüttung (1/2 Kampf- und Bewegungswerte), das Drehen auf die schwache Rückseite oder Totalverlust daher. Das passiert auch schnell mal dem Angreifer selbst. Nach den ersten Kämpfen fragt man sich vor allem auf deutscher Seite, wo die Reserven für den Sturm auf Paris herkommen sollen. So einfach das System auch ist, so anfällig ist es auch für Kritik: ein Angreifer kann sich schadlos einer gegnerischen Einheit nähern. Es gibt zwar einen Malus in Form von höheren Bewegungskosten, aber so etwas wie Defensivfeuer kommt nicht zum tragen. Auch Angriffe über die Flanken und über Hindernisse - Flüsse - hinweg werden etwas stiefmütterlich behandelt. Positiv ist, dass das Würfeln bis zur Sehnenscheidenentzündung entfällt und nicht ewige Tabellen gewälzt werden müssen.

Schön finde ich einige Spezialregeln. Durch sukzessives aktivieren von erst drei, dann vier deutschen Einheiten in den ersten Runden, werden die Bewegungen des Schlieffen-Plans simuliert. Auch die Briten dürfen erst eingreifen, wenn Belgien besetzt wurde oder eine Anzahl deutscher Truppen in Frankreich steht. Dagegen müssen die Franzosen eine gewisse Zeit ihrer eigenen Doktrin Tribut zollen: der Plan XVII sah vor, dass durch die Nutzung der Offensivkraft die französischen Armee  einen "Elan" entwickelt, der die Feinde vor sich hertreibt. Im Spiel nennt es sich "Offensive à Outrance" und führt zum Ausschalten der Gehirne französischer Generale. Damit erleiden die Franzosen im Angriff einen Malus innerhalb der Tabelle.

Fazit: Nein, es ist kein Spielplan-Counter-Monster wie Twilight in the East oder Regelalbtraum wie Grand Illusion. Es ist auch nicht so fein abgestimmt wie Paths of Glory. Und es hat, zum Glück, nur ansatzweise etwas mit dem gleichnamigen Großvater von Avalon Hill aus den 80er Jahren zu tun. Insgesamt ist es ein Leichtgewicht. Wenn man mal kein ganzes Wochenende Zeit hat sich mit einem Spiel zu beschäftigen, wenn man ein Zwei-Personen-Spiel auspacken möchte, wenn man Lust auf das Thema und freie Entfaltung im Rahmen eines historischen Kontextes hat, nimmt man es aus dm Regal. Es wird nicht in die Alltime Top 10 meiner Sammlung aufsteigen. Aber trotz kleiner Unzulänglichkeiten übt es einen gewissen Reiz aus.

Inzwischen ist auch Guns of Galicia erschienen, welches die Kämpfe zwischen Österreichern und Russen im Jahr 1914 darstellt. Da dieser Schauplatz auch eher weniger in Brettspielen umgesetzt wurde, juckt es mich schon etwas in den Fingern.
 

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